Selbsteinweisung
By Giles
Ich überlege ja ernsthaft, neuerdings – also eigentlich schon eine ganze Weile, mit zunehmender Ernsthaftgkeit, könnte man sagen – ob es nicht angesichts des immer weiter um sich greifenden Wahnsinns in unserer Welt im allgemeinen und unserem Land im besonderen – „diesem unserem Land“ wie der Dicke immer gesagt hat, als hätten wir noch ein anderes gleichsam irgendwo auf Halde … und benommen haben er und seine Nachfolger sich ja auch so, vielleicht sollte man ihn noch mal fragen, solange das noch geht, wo … obwohl, der sagt ja nix und wenn doch, dann klagt er hinterher… aber ich komme vom Thema ab – wo war ich …
Richtig beim Wahnsinn. Na ja, so ein weiter Sprung war das ja auch wieder nicht…
Angesichts dieses Wahnsinns also frage ich mich, ob es nicht an der Zeit wäre, sich einweisen zu lassen. So als mathematisch eleganteste Lösung, sozusagen: Ziehe den Zaun um dich selbst und definiere die Schafe als drinnen… Zugegeben, die Idee ist nicht ganz neu, aber sie bleibt gut.
Meine Frau sagt ja, ich solle mich nicht immer so aufregen. Sagt sich leicht. Aber ich bitte Sie, was ist denn die Alternative? Schweigend platzen? Da hätte sie dann hinterher die Sauerei.
Es ist ja eigentlich auch gar nicht so verkehrt, sich ab und an mal aufzuregen. Wie Georg Schramm den unvergesslichen Lothar Dombrowski zuletzt immer so gerne betonen ließ: „Zorn ist etwas wertvolles, dass es zu hegen und zu pflegen gilt“. Dazu hatte er ein wunderbares Zitat von Gregor dem Großen parat. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, nach der Stelle bei Gregor dem Großen zu suchen. Gefunden habe ich in den Moralia folgendes: Er, der Zorn, erhebe sich, stärker gegen das Böse, wenn er unterworfen unter der Vernunft diene.
Diesen Unterschied zu der Fassung, die uns Dombrowski präsentiert finde ich spannend. Warum?
Weil Gregor hier klar den Zorn als die treibende Kraft im Kampf gegen das Böse identifiziert. Dieser unterwirft sich der Vernunft, um an Kraft zu gewinnen. Er gesellt sich nicht einer kämpfenden Vernunft zu, nein er unterwirft sich ihr, um die nötige, man möchte sagen „Zielgenauigkeit“ zu entwickeln, um kräftiger, robuster, gegen das Böse zu wirken. Der heilige Zorn aber, nicht eine heilige Vernunft, ist die Waffe der Wahl, wenn es gilt gegen das Böse zu kämpfen. Gregor mahnt im folgenden übrigens ganz richtig, dass die Unterwerfung unter die Vernunft nicht nur nützlich, sondern nachgerade notwendig ist, will man den Zorn nicht den Geist vernebeln lassen, was nur zu neuem Bösen führen könne.
Zorn, vernunftgeleiteter Zorn, muß unsere Waffe sein – nicht blinder Zorn und noch weniger Wut. Letzterer würde ich, nebenbei bemerkt, auch jede Verwandtschaft zum Zorn absprechen: Nicht alles was sich ähnlich äußert ist zwangläufig verwandt. Frau Merkel, zum Beispiel, redet gelegentlich auch mal von Dingen wie „dem Wert des Schweigens“, wie einige antike Philosphen, aber da kämen Sie doch auch nicht in die Versuchung eine Verwandtschaft zu vermuten.
Nun komme ich doch, etwas widerwillig, auf die diversen Pe- Le- und Sonstwie-gidas, die in den letzten Monaten ihre Unvernunft auf Deutschlands Straßen tragen.
Widerwillig, weil ich eigentlich der Überzeugung bin, dass es gewisse Dummheiten gibt, die man mit Aufmerksamkeit nur über Gebühr betont.
Dass es bei diesen Veranstaltungen mehr um Wut, bestenfalls um blinden Zorn und Frust geht, da, glaube ich, werden wir uns schnell einig sein. Dass das so ist, ist an sich schon ärgerlich genug. Denn wenn auch nur ein Bruchteil – und das unterstellt schon viel, nämlich einen gewissen Anspruch bei wenigstens einem Teil der Teilnehmer an diesen Aufmärschen – wirklich ihren Protest mit Zorn und nicht nur mit blinder Wut oder bestenfalls Frust auf die Straße bringen, dann wird der dabei nicht nur wirkungslos, sondern eben auch auf schädliche Weise verbrannt. Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz als Abgas einer fehlgezündeten Zornverbrennung, gewissermaßen.
Fast genauso ärgerlich ist aber doch der Umgang der Parteien und ihrer Vertreter mit den *-gidas: Die einen liebäugeln offen gerade mit dem Abgas der Intoleranz, entweder um sich ein paar kümmerliche Prozente am rechten Rand ihres Stimmplebs zu sichern, oder was ja immerhin auch nicht gänzlich fern liegt, weil sie diese idiotischen Ideen vom Untergang des Abendlands wirklich glauben – kaum etwas ist, möchte man anmerken, so gefährlich wie der Prediger, der seine eigenen Predigten glaubt.
Die anderen geben entsetzte Geräusche von sich.
Was eine ziemliche Heuchelei sein dürfte. Denken Sie doch mal drüber nach: Eigentlich dürften die Damen und Herren sich doch heimlich freuen. Es läuft doch alles ganz wunderbar.
Wenn es Pegida nicht gäbe, müssten sie es direkt erfinden. Eine künstliche, sinn-, vernunft- und vor allem wirkungslose Erregung des Urnenpöbels ist doch das Beste, das ihnen passieren kann. Nicht vorzustellen, wozu es führte, wenn sich all die Enttäuschungen, Demütigungen und Enteignungen in einem gerechten, vernunftgelenkten Zorn gegen die Urheber richteten!
Und so werden die Vorurteile der *-gida-Verwirrten ja auch von allen Seiten kräftig mit Futter versorgt. Zuletzt nach den schrecklichen Anschlägen von Paris. Bevor man sich versieht, soll eine ganze Religionsgemeinschaft sich die Irrsinnstaten einer Handvoll Verrückter zurechnen lassen; Verrückter, die sich die Werte und Gebote einer Religion nach Belieben so zurecht schneidern, dass sie ihren Irrsinn damit rechtfertigen zu können glauben.
Dieses Zurechtschneidern von Grundwerten und -sätzen ist aber übrigens keine exklusive Fähigkeit pseudo-religiös verblendeter Spinner. Ich sage bewusst pseudo-religiös, weil mir keine Religion bekannt ist, die man nicht beleidigen würde, wenn man sie in die Nähe dieser Verblendung brächte. Aber das nur am Rande.
Im diesem Zurechtschneidern sind insbesondere auch die Innenpolitiker in den letzten Jahren zu wahrer Meisterschaft aufgestiegen. Wenn sie uns zurechtschneidern, dass wir eine weitere Einschränkung unserer Grundrechte in Kauf nehmen müssten, zum Beispiel.
Sicherheit gegen Freiheit. Es dürfe keine Kommunikation geben, sagt der Herr Cameron unverhohlen (und dabei auf den rechten Rand der Herde schielend), die wir nicht mitlesen können. Was für ein entlarvendes Wahnsinnsargument! Und unser Herr de Maiziere springt natürlich gleich auf den Zug auf. Als ob irgendetwas den Abbau von Grundrechten rechtfertigen könnte! Und nur am Rande: Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass sich eine Gruppe von Terroristen, die „schwerste staatsgefährdende Straftaten“ planen, vom Verschlüsseln ihrer Kommunikation abhalten ließen, weil man es ihnen verbietet? Die Leidtragenden, die einzigen Leidtragenden, das sind, wie so oft, wir – und wenn sie Idealist sind, noch die Idee von Freiheit und die von Rechtsstaatlichkeit.
Und an dieser Stelle läuft mir üblicherweise wieder irgendeiner über den Weg, der wirklich gar nichts verstanden hat und erklärt, er habe ja nichts zu verbergen.
Das ist der Punkt, meine Damen und Herren, wo mein Zorn droht, von Wut verdrängt zu werden. Und weil er mir dafür zu kostbar ist, höre ich jetzt lieber auf.
Und wenn Sie sich jetzt denken, dass Satire doch wenigstens ein bisschen lustig sein sollte, dann habe ich noch was für Sie:
Gregor der Große verweist in den eingangs erwähnten Überlegungen zum Zorn nämlich auch auf Kohelet 7.3:
„Besser sich ärgern als lachen; denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter.“
Bewahren Sie sich Ihren Zorn. Sie werden ihn noch brauchen.