5 Gründe, warum die SPD nicht in eine Große Koalition gehen sollte
By Giles
Wer mich kennt (oder ältere Beiträge gelesen hat) weiß, dass ich ein (ver-)zweifelnder Sozialdemokrat bin. Einer, der sich eigentlich als Sozi fühlt, aber sich schon seit er der SPD beigetreten ist fragt, ob sich die Partei eigentlich auch noch so sieht. Man könnte also auch sagen: Ich bin ein ganz normaler Sozialdemokrat. Nun hat die Parteiführung ja angekündigt, dass sie die Basis (also Leute wie mich) fragen will, ob wir für eine Große Koalition sind, oder nicht. Natürlich ist man von der Ankündigung auch schon wieder etwas zurückgerudert: Ob wir dem – nicht ‚einem‚ (man beachte die feinsinnige Implikation) – möglichen Koalitionsvertrag zustimmen würden, will man vermutlich jetzt nur noch wissen. (Und da wundert ihr Euch, dass wir hier an der Basis zweifeln?) Vermutlich hatten die Genossen im Willy-Brandt-Haus Schiss, dass wir ihnen gleich das Mandat für Koalitionsverhandlungen entziehen würden. Und wisst Ihr was, Genossen? Ich würde das jetzt gerne tun. (Nur werdet Ihr dass jetzt vermutlich eigentlich gar nicht mehr hören wollen, nicht wahr?)
Anfangs war ich sehr unsicher, wie ich zu der Frage stehen sollte, und so habe ich ziemlich lange darüber nachgedacht, viele Gespräche mit Freunden geführt (viele davon keine Genossen), Vor- und Nachteile beider Varianten abgewogen. Nun, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Ihr es lassen solltet.
- Das Ergebnis war zu schlecht, um effektiv sozialdemokratische Politik machen zu können. Weil Schwarz-Grün eine so unwahrscheinliche Kombination ist, ist man leicht versucht, sich mit dem (Schein-)Argument „Es geht ja nur mit uns“ stärker zu reden als man ist. Selbst wenn das in den Koalitionsverhandlungen klappen sollte (und auch daran kann ich nicht glauben: Könnt Ihr rechnen, Genossen? 41,5% zu 25,7%; 311 zu 192 Sitze – im Zweifel fragt mal Eure alten Mathelehrer…), wird man in der Regierung immer der deutlich kleinere Partner sein – und entsprechend wenig durchsetzen können.
- Weiterer Verlust sozialdemokratischer Identität. In einer Großen Koalition muss man sich (von beiden Seiten, vom kleineren Partner aber mehr) einander annähern. So kann man sein Profil nicht schärfen, in den Augen der Wähler verschwimmen die Unterschiede zwischen den großen Parteien noch mehr. Das wird der SPD schaden, nicht aber der CDU/CSU. Und nicht zu vergessen, wie gut „Mutti“ darin ist, sozialdemokratische Positionen schon mal vorsorglich zu besetzen (ohne sie natürlich umzusetzen, aber darum geht es ja auch nicht).
- Das Sündenbock-Prinzip. Als Partei, die einen sozialen Markenkern trägt, wird die SPD unter besonderer Beobachtung all derer stehen, für die soziale Gerechtigkeit einen (ge-)wichtigen Einfluss auf ihr alltägliches Leben hat. Alle Härten, die Familie Muster zugemutet werden, werden der SPD angeheftet werden. Dazu ist das politische Gedächtnis der Bürger kurz – heute erinnert sich z.B. kaum noch jemand daran, dass große Teile der Härten der Agenda 2010 von der Unionsmehrheit im Bundesrat in die Agendagesetze hineinverhandelt worden sind. Und hat nicht darüber hinaus die letzte Legislaturperiode deutlich gezeigt: Murks wird niemals mit “Mutti” in Verbindung gebracht? Insofern ist es fast schade, dass es nicht für die absolute Unionsmehrheit gereicht hat. Dann hätte „Mutti“ endlich einmal selber Politik machen müssen und dafür gerade stehen…
- Annäherung der linken Kräfte. Wenn wir realistisch sind, müssen wir festhalten: In Deutschland wird es mittelfristig erst dann wieder eine sozialdemokratische Regierung geben können, wenn sich die linken Kräfte einig werden und lernen, miteinander zu arbeiten. Schließlich ist ein nicht unerheblicher Teil der linken Wählerschaft zu den Linken gewandert. Während die Zusammenarbeit im Osten teilweise klappt, ist es im Westen noch nicht wirklich denkbar. Auch (aber durchaus nicht nur), weil zu viele ehemalige Genossen nicht mehr mit ihrer alten Partei arbeiten mögen. Annäherung braucht Arbeit und Aufeinander-zu-Gehen. Das wird aus der Umarmung mit Mutti heraus viel schwieriger (oder unmöglich).
- Eine gesunde Demokratie braucht eine gesunde Opposition. Eine Große Koalition würde Mehrheitsverhältnisse schaffen, in denen es keine nennenswerte Opposition mehr gäbe (nicht einmal genug um einen Untersuchungsausschuss zu erzwingen). Das ist schädlich für die Demokratie und es befördert weiter den um sich greifenden Frust in der Bevölkerung.
Ich bin fast sicher, dass ich noch ein paar Argumente gegen die Große Koalition vergessen habe, aber mir reichen die hier genannten eigentlich schon aus…
Also liebe Genossen in Berlin: Wenn Ihr mich mal richtig positiv überraschen wollt, dann fragt die Basis richtig. Und akzeptiert auch, wenn wir Euch in die Opposition schicken. Dafür wäre ich vielleicht sogar bereit, noch mal das Pippi-Langstrumpf-Lied zu ertragen, liebe Andrea.